Bienen: Familien- und Arbeitsverhältnis
Von Schlendrian und Bieneneifer / Warum Bienen kommunistische Mägen haben und Drohnen Muttersöhnchen sind
Von Claus M. Schmidt
Wussten Sie schon, dass eine Honigbiene nur acht Tage ihres sechswöchigen Lebens mit Blütenbesuchen beschäftigt ist? Und dass sie dabei ganz gern mal Blau macht. Einblicke ins Innenleben einer geschlossenen Gesellschaft, die den solidarischen Sozialstaat erfunden hat.
Wie sie so dahinfliegen von Blüte zu Blüte und Nektar und Pollen in ihren Taschen verstauen, dann wieder heim in den Stock, um die Vorräte für die ganze Sippe aufzufüllen. Es gibt viel zu tun – die emsigen Bienen bauen Waben, füttern die Jungen, versorgen die Königin, reinigen die Puppenstuben und stehen als Ventilator an den Eingängen – die Kaste der Arbeiterinnen gilt als „bienenfleißig“ im wahrsten Sinn des Wortes.
Doch mit dem Fleiß der arbeitenden Klasse ist es nicht so weit her. Ein Team von Biologen markierte jeweils 100 Bienen in verschiedenen Völkern mit Farbtupfern und verfolgte ihre Aktivitäten in einer rund-um-die-Uhr-Studie über 16 Tage lang. Von einem festen Stundenplan oder gar Schichtbetrieb im Bienenstock kann nach ihren Beobachtungen keine Rede mehr sein. Ganz im Gegenteil: Wie sich herausstellte, arbeiten Bienen äußerst selten – viel wahrscheinlicher trifft man bei den Stichproben auf ein Exemplar, das gerade mal wieder pausiert. Auch bei den Ausflügen zur Tracht, scheint das Lustprinzip zu regieren. So war es unmöglich vorherzusagen, ob eine Biene sich gleich auf den Weg machen würde, oder ob sie sich lieber, was wahrscheinlicher war, auf ein mehrstündiges Nickerchen zurück zieht.
Ein Schlendrian, der klappt, weil im Bienenstaat alles bestens organisiert ist. Und diese Organisation basiert auf einem familiären Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb eines Bienenvolks. Das ist so stark, dass Bienen, die mehr als einen Tag von ihrem Volk getrennt sind, sterben. Die Solidarität im Sozialstaat der Honigbiene geht gar so weit, das Arbeitskräfte auch dann versorgt werden, wenn sie mal durchhängen. „Bienen haben einen kommunistischen Magen“, sagen Biologen. Denn bei den Bienen ist noch nicht einmal der Mageninhalt Eigentum. Hat eine Biene Hunger, dann betrommelt sie mit ihren Fühlern die Stockgenossin. Auf dieses Signal hin entleert sie den Inhalt ihres Honigmagens und versorgt die Schwester.
Sobald eine Arbeiterin innerhalb von 21 Tagen das betreute Stadium der Made und der Puppe in der Brutwabe durchlaufen hat, ist sie in einem strikten Zeitplan für die anderen da: Vom 1. bis zum 3. Lebenstag hat sie die Zellen zu putzen, vom 4. bis 10. Tag ist sie Babysitter, füttert die ältere Brut, pflegt die Königin und stampft Pollen ein, vom 11. bis zum 18. Tag hat sie Wachs zu schwitzen und betätigt sich im Wabenbau, vom 19. bis zum 21. tag leistet sie Wächterdienste am Flugloch und macht erste Flug- und Orientierungsübungen. Erst nach dem 22. Lebenstag wird die „Stockbiene“ zur „Flugbiene“. Die nächsten 8 Tage ihres Lebens verbringt sie mit Wasser eintragen, Erkundungsflügen zu neuer Tracht, mit Blütenbesuchen, Pollen, Honigtau und Nektarsammeln. So dauert das Bienenleben im Sommer zwischen vier und sechs Wochen. Bei besonderen Umständen können einzelne der Lebensphasen je nach Erfordernis flexibel der Situation angepasst werden. Arbeiterinnen, die im späten Sommer oder Herbst geboren werden, haben eine längere Lebenserwartung. Sie können bis zum Frühjahr überdauern und der Königin helfen, die neue Generation zur Welt zu bringen.
Die Kehrseite der Medaille: Jedes Bienenvolk ist eine geschlossene Gesellschaft. Deren Mitglieder erkennen sich am gemeinsamen Stockgeruch. Der ist die Eintrittskarte zum Sozialstaat. Ausgegeben wird sie von der Königin, die zugleich die Mutter aller Arbeiterinnen ist. Und in dieser Frauengesellschaft ist sie auch die Mutter der Männer, die ausschließlich eine Aufgabe haben: Die Königin zu befruchten. Da die Königin aber diese Drohnen selbst ohne männliches Dazutun (der Fachbegriff dafür heißt Parthenogenese = Jungfernzeugung) produziert, kommt es zu merkwürdigen Verwandtschaftsverhältnissen im Volk. Denn eine Drohne hat keinen Vater – sie hat nur einen Großvater.
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animal.press / Zu 4000 Tierstorys / Schmidts Tierleben / Schmidts Tierleben |
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