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Neozoen

#43153    Kein Model Release;
Neozoen
Neozoen – Neue Tiere leben unter uns Am Ufer des Rhein brüten bunte Papagein Vorbei die Zeiten, in denen Papageien in den Tropen, Waschbären in Amerika und Flamingos in Afrika zu finden waren. Die Globalisierung der Tierwelt ist längst angebrochen. Heute brüten 5000 Halsbandsittiche, die ursprünglich in Indien lebten, in deutschen Eichen, waten kubanische und chilenische Flamingos in westfälischen Mooren, tummeln sich in der Gegend von Kassel ebenso viele Waschbären in und um Häusern, wie in den Vororten von Chicago. Manche der Neubürger sind schon eine Plage – für Mensch und Natur, andere eine willkommene Bereicherung. Waschbär Am 12. April 1934 setzte Forstmeister Wilhelm Freiherr Sittich von Berlepsch zwei Paare von Waschbären am hessischen Edersee auf freien Fuß, um mit Genehmigung des Preußischen Landesjagdamts mit dieser amerikanischen Tierart „die heimische Fauna zu bereichern“. Und damit auch das Jagdvergnügen! Das Experiment zur Einbürgerung einer neuen Tierart gelang so gründlich, das die Jägerei angesichts von 1 bis 2 Millionen Waschbären in Deutschland heute mit der Bekämpfung hoffnungslos überfordert ist. Besonders die Verstädterung der kleinen nachtaktiven Räuber ist ein Problem. Waschbären gelten als Kulturfolger, die menschliche Nähe suchen, weil sie in Städten vor Jägern sicher sind und jede Menge Abfälle finden. Wenn in warmen Sommernächten mal Fenster und Balkontüren offenstehen, finden sie ihre Nahrung auch in Häusern. Biologen haben festgestellt, dass 43 Prozent der städtischen Waschbären in leerstehenden Häusern, Dachböden, Gartenhäuschen und Garagen leben und dort auch ihre Jungen zur Welt bringen. Halsbandsittich Erste Beobachtungen von Halsband-Sittichen (auch Kleiner Alexandersittich) im Schlosspark von Wiesbaden gehen auf die siebziger Jahre zurück. Die etwa taubengroßen Kleinpapageien, vermutlich ausgebüxt aus einer Voliere, fanden unser Klima prima und begannen zu brüten. Zögerlich in den Achtzigern – aber da meldeten Vogelkundler auch schon die ersten Kolonien der Krummschnäbel in Mainz, Köln, in Heidelberg und Mannheim. Damals machte man sich Sorgen, ob der Höhlenbrüter unseren heimischen Spechten wohl die Bruthöhlen wegnehmen könnte, andere befürchteten, die Exoten würden in einem kalten Winter erfrieren. Die Fakten sehen anders aus: Mehr als 5000 Halsbandsittiche leben und brüten heute in klimatisch günstigen Regionen Deutschlands, ihr Verbreitungsgebiet deckt sich in etwa mit den Weinanbaugebieten. Nirgends hat die heimische Vogelwelt unter den Zuwanderern gelitten und für Menschen ist der bunte Exot mit seiner ausgefallenen Stimme und einzigartigen Flugweise eine Bereicherung. Flamingos In den achtziger Jahren tauchte plötzlich eine handvoll Flamingos im Zwillbrocker Venn, einem Hochmoor an der Grenze zu den Niederlanden auf. Die Herkunft war unklar. Sicher scheint nur, dass die großen Kuba-Flamingos und die kleineren Chile-Flamingos nicht von ihrer fernen Heimat übers Meer geflogen waren, sondern aus einem Zoo geflüchtet. Aus der handvoll wurde nach erfolgreichen Bruten und weiteren Zuwanderern ein gutes Dutzend Brutpaare. Mink Der Amerikanische Nerz oder Mink, ein kleiner Wasssermarder, kam als Pelztier in europäische Zuchtfarmen. Sein europäischer Vetter, der Europäische Nerz war sensibler, nervöser und eignete sich nicht zur Haltung. Einige Minks entkamen ihren Käfigen, einige wurden von Tierschützern heimlich befreit. Damit trat der Mink seinen Siegeszug an. Wo der amerikanische Nerz auftauchte, verschwand der Europäische. Um den heimischen Nerz machen sich Naturschützer heute die größten Sorgen. Nur noch im Baltikum und in der Bretagne ist er vertreten. Überall sonst hat ihn der Mink verdrängt. Asiatische Marienkäfer Als äußerst effektiven Blattlauskämpfer konnte man den Marienkäfer aus China per Mail order in Garten-Versandgeschäften bestellen. 2002 tauchte der erste freilebende seiner Art in Deutschland auf, inzwischen kommt der vielgestaltige Käfer, dessen Farbe mal Gelb, mal Rot ist, dessen Punkte mal mehr oder weniger sein können oder so groß, dass der Käfer schwarz erscheint, im ganzen Land vor. Am liebsten in der Nähe von Städten und oft massenhaft. Denn anders als unsere Marienkäfer, die einzeln leben, liebt der asiatische Vetter die Gemeinschaft. Nicht selten treten 50 oder mehr Tiere zusammen auf und fliegen als Schwarm. Nandus Eigentlich sind Nandus oder Pampasstrauße, die 25 Kilo schweren, bis zu 160 cm großen Laufvögel in den Grasstepen Südamerikas zu Hause. Doch einige entkamen aus einem Gehege in Mecklenburg-Vorpommern. Und weil die Laufvögel ziemlich flink auf den Beinen sind, konnte niemand sie wieder einfangen. Offensichtlich mögen die Südamerikaner die mecklenburgische Pampa und leben hier ganz gut. Auf 50 bis 100 Exemplare beziffert das Schweriner Umweltministerium den Zuwachs der letzten Jahre. In ihrer neuen Heimat sind die Zuwanderer eine Touristenattraktion. Der heimischen Tierwelt schaden sie nicht. Marderhund Zu Hause in Sibirien wurde der Marderhund als Jagdobjekt und Pelztier bereits im 19. Jahrhundert nach Westrussland und in die Ukraine eingeführt. Hier gedieh das scheue, nachtaktive Tier in aller Heimlichkeit prächtig, machte sich auf den Weg nach Westen. 1962 wurde der erste in Osnabrück erlegt und alles staunte über ein neues Tier im Wald. Zwar gibt es ihn inzwischen in ganz Deutschland – doch immer noch ist der kleine Räuber, der aus der Kälte kam ein Ossi. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ist er häufig vertreten, in westlichen Bundesländern eher selten. Nilgans Überall, wo es Wasser gibt auf dem afrikanischen Kontinent, ist die Nilgans vertreten, Und weil es in Holland, dem Land der Grachten sehr viel Wasser gibt und viele Parks, Zoos und Teichanlagen mit Ziergeflügel, lebten im Land der Windmühlen und Tulpen auch recht viele Nilgänse. In den siebziger Jahren machten sich einige davon auf Flügel und Watschelfüße, zogen rheinaufwärts. Immer den Gewässern nach… und heute sind sie von Schleswig-Holstein bis zur Donau verbreitet. Wie sich an den Fußringen zeigt, gesellen sich immer wieder neue sogenannte „Gefangenschaftsflüchtlinge“ dazu. Das ist zwar hübsch und es bereichert unsere Vogelwelt – doch andere Wasservögel sind darüber wohl nicht so glücklich. Denn die Nilgans ist ein zänkischer Nachbar, der alle anderen Enten- und Gänsevögel aus seinem Brutrevier vertreibt. Kanadagans Um 1665 erwarben Gesandte des englischen Königs Charles die ersten Kanadagänse aus den Kolonien der Neuen Welt. Die wurden nach dem Beschneiden der Flügel zu anderen Ziervögeln in den Parks des Palastes ausgesetzt, sein Nachfolger James II. brachte sie 1678 als Teil seiner Sammlung von Wassergeflügel in den Londoner St. James Park. Und wenns das Königshaus so macht, dann wollte der Adel, der Landadel und die Snobs dem nicht nachstehen. Es wurde Mode, Kanadagänse auf seinen Gewässern zu halten, eine Mode, die sich bald auch auf dem Kontinent fortsetzte. Aus den Parks und Teichen eroberte der Exot seit den 50er Jahren das ganze Land. Die Zahl der Kanadagänse in Deutschland wird auf einige Tausend Brutpaare geschätzt. Als problematisch gilt das Verhältnis zum heimischen Vettern, der Graugans. Beide Arten konkurrieren um eine begrenzte Zahl von Nistplätzen, wobei die Kanadagans meistens siegt, Graugänse sind etwas menschenscheuer und deshalb nicht so sehr in städtischen Regionen vertreten – und manchmal kommt es zu Verbindungen über alle Artengrenzen. Pech nur, dass Küken, die aus diesen Mischehen entstehen, selbst unfruchtbar sind. Wollhandkrabbe Den Anfang der menschengemachten „McDonaldisierung“ der Tierwelt machte vermutlich vor über 1000 Jahren Erik, der Rote. Von seiner Seereise an die Gestade der amerikanischen Ostküste brachte der Wikinger ungewollt die Klaffsandmuschel in die alte Welt, wo sie sich so ausbreitete, dass sie von Zoologen nicht mehr als Neozoon, als „Neutier“ bezeichnet wird. 1000 Jahre später kam ebenfalls per Schiff ein Neutier aus dem fernen Osten zu uns, das nicht so gern gesehen wird. Die Wollhandkrabbe aus China. Trotz erbitterter Bekämpfung ist das Wasserwesen mit den wilden Haarbüscheln an den Scherenhänden auf dem Vormarsch. Mancher befürchtet, dass die Massen Turbinen und Anlagen verstopfen können. Natürliche Feinde, wie Möwen und Fische, die ihre Brut rauben, kommen nicht gegen die Wellen der Wollhände an. Und auch eine automatische Fanganlage beispielsweise an der Elbe-Staustufe Geesthacht, die jährlich tonnenweise Wollhandkrabben einsammelt, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Einzig eine massive Umweltverschmutzung könnte helfen. Denn die Art reagiert empfindlich auf Schmutzwasser. Ihr Boom – nach dem Verschwinden in den Hochzeiten der Verschmutzung, den 50er und 60er Jahren – ist ein deutlicher Indikator, dass unsere Gewässer sauberer werden. Fast schon absurd: Naturschützer wollen im großen Stil Wollhandkrabben hierzulande fangen und in Chona aussetzen. Durch starke Umweltverschmutzung droht die Krabbe nämlich in ihrer Heimat auszusterben. Zur Info Manche mögens heiß Wärmeliebende Tierarten boomen Ein kleines Ufo steckt seine Nase in Meiers Geranien. Schwirrend wie ein Kolibri steht es vor der Blüte in der Luft. Ungewöhnlich, weil Blütenbesucher hierzulande sich normalerweise auf der Nektarquelle niederlassen. Doch dieser tankt im Flug. Blitzschnell geht das. An bis zu 150 Blüten nippt er pro Minute. Der ungewöhnliche Blütengast ist ein Schmetterling. Einer, der üblicherweise südlich der Alpen wohnt. Doch im Sommer wagen sich einige der knapp fünf Zentimeter lange Taubenschwänzchen über die hohen Berge und schauen bei uns vorbei. Auch die Italienische Schönschrecke, eine Heuschrecke, kam vor einiger Zeit über die Alpen gehopst, singt, schrillt und paart sich am Oberrhein, wo es schon immer ein paar Grade wärmer war, als anderswo in Deutschland. Exotisch geht’s zu über den Rheinauen. Hier jagen südländische Wesen wie Samaragdeidechse, Feuerlibelle und Gottesanbeterin nach Insekten. Gute Zeiten auch für einen gefiederten Insektenjäger, den Bienenfresser. Der exotisch bunte Vogel, der in Afrika überwintert, und im Mittelmeerraum brütet, kam über Jahrhunderte nur als vereinzelter Irrgast ins kalte Deutschland. Er lebt weniger von Bienen als sein Name ahnen lässt. Vielmehr stehen Libellen und anderen Großinsekten auf seiner Speisekarte. Und die gibt’s in warmen Jahren satt und in Fülle. Genug, um viele hungrige Kükenschnäbel zu stopfen. Die Vogelexperten vom Naturschutzbund Deutschland melden historische Spitzenwerte: 500 Brutpaare am Kaiserstuhl, am Oberrhein und im südlichen Schwarzwald, in Bayern und Sachsen-Anhalt. Erwärmt sich das Klima, tritt die mediterrane Tierwelt wohl bald in ganz Deutschland auf. „So soll es sein, so soll es bleiben, so habe ich es mir gewünscht.“ „Ich und Ich“ 2008 „Ökosysteme sind niemals stabil, sondern Prozesse in der Zeit. Solche Veränderungen sind daher grundsätzlich Teil, nicht Schädigung des Systems und zeigen dessen Funktionsfähigkeit.“ Professor Ragnar Kinzelbach, Leiter des Instituts für Biodiversitätsforschung (Biodiversität = Artenvielfalt) an der Uni Rostock (kürzlich emeritiert), hat ein Gutachten über die Invasion neuer Arten in Deutschland für das Umweltbundesamt erstellt.

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