Am Schwanensee
Besuch bei Ritter Edel-Weiß
Von Claus M. Schmidt © animal.press
Andere Vögel mögen sich ja zur Brutzeit tarnen und verbergen – der Schwan denkt nicht daran. Jetzt ist er der alleinige Herrscher der Gewässer. Und das zeigt der stolze Vogel bei jeder Gelegenheit. Besser man kommt ihm und seiner Familie in dieser Zeit nicht zu nahe
Mann-o-Mann - da rauscht der Schwan pfeilgerade übers Wasser, er läuft, schlägt dabei mit den Flügeln krachend auf und ist einfach nicht zu bremsen. Wütend faucht der Schnabel. Wildgänse, Enten und die kleinen Teichhühner, die bisher friedlich auf dem See schwammen, haben längst die Bahn geräumt, verstecken sich in Schilf und Binsen. Der See ist frei und der Herrscher hat es mal wieder allen gezeigt.
Wellen schwappen nach seinem starken Auftritt. Hoch hebt er sich aus dem Wasser, schlägt die Flügel vor der Brust zusammen dass es nur so klatscht und putzt die strahlend weißen Federn, die bei dem Spektakel in Unordnung geraten sind. Mit erhobenem Haupt schwimmt er zu seiner Gattin, die sich im Kreise ihrer Küken die Szene gelassen angeschaut hat. Das weiße Federkleid gesträubt wirkt der Recke noch ein Stückchen größer als er tatsächlich ist. Er begrüßt sie mit Geschnäbel und triumphierendem Trompeten. Ganz so, als wolle er fragen: „War ich gut Liebling?“
Zwiti: Eltern als Geburtshelfer
Vor ein paar Tagen sind die Küken des Paares in dem schlichten Nest am Ufer geschlüpft. Vorn auf dem grauen Schnabel tragen sie noch Reste des Eizahns, einem spitzen Höcker, der den Schwanenkindern hilft, die Eierschale von innen aufzubrechen. Obwohl die Eier doch an verschiedenen Tagen gelegt wurden, erblicken die Jungen, die sich darin entwickeln fast zeitgleich das Licht der Welt. Denn mit Piep-Tönen stimmen sich die Geschwister von Ei zu Ei darüber ab, wann es losgeht. Hat einer Probleme, sich aus der Schale zu befreien, leisten die Schwaneneltern Geburtshilfe, pellen Babys mit dem Schnabel aus dem Ei.
Kaum sind alle draußen, kaum ist das graue Dunengefieder trocken, geht‘s auch schon ins Wasser. Immer hinter Mamas und Papas Bürzel her. Schließlich braucht man was zum Futtern – und die Kleinen reichen mit ihrem Schnabel noch nicht an die Wasserpflanzen, die Mama und Papa mit ihrem langen Hals abweiden. Jetzt pflücken die Eltern Algen, Tausendblatt und Wasserpest und legen es ihren schnatternden Kindern vor. Wie alle Tierbabys brauchen auch junge Schwäne ganz viel Schlaf. Nickerchen machen sie gern auf Mamas Rücken und lassen sich schippern.
Zwiti: Es kann nur einen geben
Wehe, wenn jetzt jemand einer Schwanenfamilie zu nahe kommt. Im Umkreis von einigen Kilometern verteidigt der Schwanenvater sein Reich. Aggressiv fauchend geht er nicht nur auf alle Vögel in seinem Revier los – auch Spaziergänger, Paddler, Angler werden von dem weißen Ritter attackiert. Kein Fuchs, kein Hund, kein Marder wagt sich in die Nähe. Artgenossen werden vertrieben und manchmal kilometerweit verfolgt. Es kann nur einen geben ...
Doch der größte Feind der Kleinen führt einen Krieg, gegen den selbst der tapfere Kämpfer keine Chance hat. Der Feind lauert in der Tiefe. Kapitale Hechte und Welse schnappen sich immer wieder Küken. Mit einem Anfangsgewicht von knapp 220 Gramm sind Schwanenküken noch ein mundgerechter Happen für die großen Fische. Gegen diese Feinde, der aus dem Hinterhalt sind selbst die wehrhaften Schwaneneltern machtlos. So ist für die Küken der Platz auf dem elterlichen Rücken mehr als ein bequemes und kuschelig warmes Ruhekissen – er ist auch eine Lebensversicherung in den ersten Wochen. Wer größer ist, kann schließlich unbesorgt auf allen Wassern schwimmen.
Und die Kleinen wachsen rasend schnell. Bis zu drei Kilo Wasserpflanzen verzehrt ein heranwachsender Schwan am Tag. Kein Wunder bei dem Appetit, dass er schon nach zwei-drei Monaten 12 bis 14 Kilogramm Gewicht auf die Beine stellt.
Ein Gewicht, das kaum zählt, solange der Wasservogel in seinem Element ist. Majestätisch zieht er seine Bahnen auf dem See. Ahnt ja keiner, dass die Paddelfüße sich unter der Oberfläche mächtig anstrengen. Nichts verrät eine Spur von Mühe. Selbst wenn so ein Schwan gegen den Strom schwimmt und eine große Bugwelle vor sich her schiebt.
Zwiti: Anmut und Würde ade
Ein Sinnbild von Anmut und Würde. Bewundert von jedermann. Verewigt von bildenden Künstlern, von Dichtern, von Komponisten, wie Richard Wagner im Lohengrin, der sich mit „mein lieber Schwan“ dafür bedankt, dass der seinen Nachen ans rettende Ufer zieht. Kein Ballett-Stück ist bekannter als der „Schwanensee“ und wer hätte nicht vom „Sterbenden Schwan“ gehört.
Doch kaum verlässt er sein eigentliches Element und betritt das Ufer, geht alle Eleganz flöten. Denn die Füße an den kurzen Beinen sind nicht zum Laufen geschaffen – es sind eigentlich Flossen. Zum Paddeln gebaut, sitzen sie weit hinten am Körper, wie die Schiffschraube am Heck. Und das führt dazu, dass der stolze Schwan schwerfällig ungraziös über die Wiesen watschelt und dabei ziemlich ungraziös mit dem Bürzelhintern wackelt.
Auch mit dem Fliegen ist‘s für das Wasserwesen nicht weit her. Das für einen Vogel riesige Gewicht in die Lüfte zu heben erfordert Mühe und eine lange Startbahn.
Besser also man gibt sich keine Blöße und bleibt in seinem Element. Dann kann man sogar die Gunst von Fürsten und Königen gewinnen und darf in ihren goldenen Kutschen reisen. Besonders, wenn man als Schwan noch ein gewisses Extra hat. Und das ist weiß. Natürlich weiß – von Anfang an...
Zwiti: Vom hässlichen kleinen Entlein
Üblicherweise tragen Schwanenküken im ersten Lebensjahr ein schlicht graues Gefieder. So wie das mutterlose Schwanenbaby im Märchen „Das hässliche kleine Entlein“. Das Grautier wurde in einer Schar süßer Entenküken erst verkannt und verlacht – bis es sich schließlich zum stolzen Schwan mauserte.
Aber nicht alle Schwanenküken sind grau – gelegentlich gibt es in einer Schar von Geschwistern auch mal eines, das von Geburt an weiß ist. Und diese Form – wissenschaftlich „Immutabilis – Unveränderlich“ genannt, stand einst hoch im Kurs.
Die Geschichte der Schwäne in Deutschland ist eng mit einer Mode aus Adelskreisen im 18. Jahrhundert verbunden. Wer mit der Zeit gehen wollte, der folgte dem schicken Vorbild englischer und französischer Parks und legte Seen und Teiche für Schwäne an. Doch die waren damals Mangelware. Wer einem befreundeten Herrschhaus eine Freude machen wollte, der überbrachte einen Schwan als schmuckes Gastgeschenk.
Zwiti: Ein Vogel reist per Kutsche
Im Osten, besonders in Polen tauchten damals rein weiße Küken auf. Eine Laune der Natur, die als kostbare Rarität bald als besonders geschätztes Staatsgeschenk Karriere machte. Wenn Sie heute auf einem Gewässer ein weißes Schwanenküken entdecken, ist es vermutlich ein Nachkomme jener erlesenen Schwäne, die damals von Ost nach West mit der Kutsche reisen durften.
Der stolze Vogel fasziniert uns und regt seit jeher die Phantasie der Menschen an. Mal ist der Schwan im Märchen eine verwunschene Prinzessin, mal sogar ein Gott. So hat sich in der griechischen Antike Göttervater Zeus in einen Schwan verwandelt, um Leda, seine Angebetete zu verführen.
Im Altertum wurde dem anmutigen Göttervogel sogar die Gabe zugesprochen, in die Zukunft blicken zu können. Auch wenn wir schon lange keine gefiederten Hellseher mehr befragen – so „schwant“ uns doch auch in unserer aufgeklärten Zeit noch manchmal eine Ahnung.
In der Brutzeit ist Vater Schwan auf Angriff gebürstet. Bei jeder Gelegenheit schiebt er eine wütende Bugwelle vor sich her. Besser man geht ihm jetzt aus dem Weg
Die Küken haben es sich auf Mamas Rücken gemütlich gemacht. Im Schutz der Flügel können sie kuscheln, dösen und Eindrücke sammeln ohne sich die Füße nass zu machen
Passagierdeck erster Klasse. Der Nachwuchs ist schon ganz schön groß. Doch Mama findet immer irgendwie noch Platz für ihre Passagiere und Zeit für die Gefieder-Kosmetik. Auch wenn sie sich dabei ziemlich verrenken muss.
Rechts: Einer ist schon draußen – die anderen Küken versuchen nach Kräften, die Eischale zu sprengen. Mutter passt auf. Wenn eines ihrer Kinder es nicht schafft, leistet sie Geburtshilfe, öffnet die Eischale mit dem Schnabel
Junge Schwäne sind grau. Aber nicht alle. Manchmal ist einer darunter, der von klein auf weiß leuchtet. Die seltene Variante zierte einst Seen und Teiche der Königs- und Fürstenhäuser.
Die Eier werden im Abstand von jeweils zwei Tagen gelegt. Nach 38 Tagen sind sie ausgebrütet.
Erbittert kämpfen und ringen zwei Schwanenmänner um ein Revier. Nur der Sieger hat die Chance, eine Familie zu gründen
Der Singschwan mit seinem markant gelben Schnabel und seiner melodischen Stimme ist seltener als unsere Höckerschwäne, findet sich vorwiegend im Norden.
Der Schwarzhalsschwan aus dem Süden Südamerikas ist mit maximal sechs Kilo Gewicht kaum halb so schwer wie unser Höckerschwan.
Im Flug zeigt der Trauerschwan seine weißen Schwingen. Der ursprünglich in Australien beheimatete Vogel hat sich auch schon bei uns eingebürgert. Die meisten leben in Parkanlagen von NRW
Ein männlicher Höckerschwan zeigt, was er drauf hat. Die Lautstärke des Flügelschlags, die Höhe der Wellen soll seine Gegner beeindrucken – und seine Frau
Der lange Hals macht‘s möglich. Schwäne beweiden Wasserpflanzen, die für Enten unerreichbar sind. Bis zu vier Kilo davon futtert ein ausgewachsener Schwan täglich
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animal.press / Zu 4000 Tierstorys / Schmidts Tierleben / Schmidts Tierleben |
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