Rehkitze in Feld und Flur
Bambis grüne Wiege © animal.press
Es lohnt sich, die Augen aufzuhalten, wenn Sie in diesen Wochen draußen unterwegs sind. Denn jetzt begleiten mehr als eine Millionen Rehkitze, die in den Monaten Mai und Juni in unserem Land geboren wurden, erstmals ihre Mütter in Feld und Flur. Die ersten vier Lebenswochen haben sie sich nicht blicken lassen
Von Claus M. Schmidt
Nur ein paar Schritte neben dem Wegesrand kauert das Rehkitz im Gras. Der zarte Körper bildet einen fast geschlossenen Kreis, Hals und Kopf ruhen auf den Vorderläufen. So ähnlich hat es auch in den letzten Wochen im Leib der Ricke gelegen, wo es sich den Platz mit einem Zwilling teilen musste. Spaziergänger auf dem Weg übersehen das gerade mal drei Pfund schwere Kitz. Und auch der feinsten Hundenase, die die wenige Meter neben ihm am Mauseloch schnuppert, entgeht das Wild – es ist geruchsneutral.
Zwiti: Geschwister als Einzelkinder
Die grüne Wiege seines Zwillings liegt irgendwo 50 bis 100 Meter entfernt. Die Geschwister werden sich erst in drei bis vier Wochen kennenlernen. Dann, wenn sie groß genug sind, ihre Mutter zu begleiten – und im Notfall auf der Flucht mit ihr Schritt zu halten. Rehmütter sind vorsichtig. Sie setzen ihre Kitze – meist sind zwei, seltener eins oder drei – nicht an einem Ort, sondern an verschiedenen Stellen ab. Eins fällt einfach weniger auf. Und in den ersten Tagen ist es für ein Kitz entscheidend, dass keiner es entdeckt. Denn jetzt kann es noch nicht so schnell laufen, wie seine Feinde Fuchs, Dachs oder Wildschwein. Sogar ein Marder könnte es packen mit seinen zwei, drei Pfund Gewicht. Statt immer auf dem Sprung und fluchtbereit zu sein, wie es eben die Art der sprichwörtlich scheuen Rehe ist, setzen neugeborene Kitze auf Tarnung und ducken sich bei nahender Gefahr flach an den Boden. Dann können sie so flach atmen, dass nicht einmal ein leichtes Heben des Brustkorbs sie verrät. Die hellen Flecken lassen die Konturen verschwinden. Bei Dämmerung ist ein Kitz schier unsichtbar.
Zwiti: Nicht mal Mama weiß wo
So perfekt ist die Tarnung, dass gelegentlich nicht einmal die eigene Mutter ihr Kitz auf Anhieb findet, wenn sie es in Abständen von ein bis zwei Stunden zum Säugen aufsucht. Wo es liegt, das erfährt sie durch einen Ruf, der dem Kitz Entwarnung signalisiert. Nach vorsichtiger Umschau gibt sie ihm mit diesem fiependen Laut das Okay zum Aufstehen. Wenn es nicht aufsteht oder per Fiep-Laut antwortet, findet sie es aber auch über ein geheimes Signal, das die beiden verbindet. Es ist dies ein flüchtiger Duftstoff, der in kleinen Drüsen, die vor den Augen liegen, produziert wird. Nur wenn die Mutter ruft, öffnen sich die Voraugendrüsen und führen sie zu ihrem Kind.
Ist das Haarkleid des jungen Rehs anfangs noch dunkel, so haben sich im Alter von vier Wochen schon die typisch rehbraunen Haare breit gemacht. Jetzt streifen die Kitze gemeinsam mit der Ricke durchs Revier. Sie stellen sich von Milch auf Pflanzenkost um. Besonders beliebt ist nahrhaftes Grün wie Raps und Getreide. Mehr als die Hälfte des Tages sind sie jetzt mit Futtern und Wiederkäuen beschäftigt. Kein Wunder, bei diesem Lebensstil, dass es Kitze bis zum Erntedankfest auf ein Körpergewicht von rund 15 Kilogramm bringen. Sie sind dann fast so groß, wie ihrer Mütter, die sie noch bis zum nächsten Frühjahr begleiten.
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animal.press / Zu 4000 Tierstorys / Schmidts Tierleben / Schmidts Tierleben |
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