Camouflage von Schneehuhn, Schneehase und Co.
Alle ziehen sich um. Der Winterschlussverkauf ist zu Ende, die leichte Frühjahrs- und Sommerkollektion hat die warmen Klamotten aus den Schaufenstern verdrängt. Auch im Tierreich ist leichte Kluft angesagt. Hunde und Katzen verlieren jetzt die dicke Winterwolle. Ebenso das Wild in Wald und Flur. Doch einige wenige Spezialisten wechseln dazu auch noch die Farbe
Von Claus M. Schmidt
Merkwürdig zerlumpt sehen einige Tiere in der Natur in den Frühlingstagen aus, fast scheckig erscheint das Schneehuhn. Im Winter war es noch mit schneeweißem Gefieder auf weißem Untergrund kaum zu sehen. Jetzt trägt es die ersten braunen Sprenkel und stellt sich mit seinem Federwechsel auf die neue Umgebung ein, die in seiner Heimat, den Alpen ebenfalls gesprenkelt ist. Ein Wechsel zwischen Schneefeldern im Schatten und sonnenbeschienenen Hängen, auf denen im grünen Gras bereits die ersten Frühblüher prangen. Steinadler und Habicht haben ein scharfes Auge auf seine Art. So hält es sich mit seinen Übergangsfarben dort auf, wo seine Farbmischung zur Umgebung passt.
Nur nicht auffallen ist auch die Devise eines kleinen Räubers. Dem geht es weniger ums Gefressenwerden, als vielmehr ums Fressen. Denn seine vorsichtige Beute soll natürlich erst möglichst spät merken, wenn er sich nähert. Das braune Großwiesel tarnt sich passend zur Saison. Sommers beschränkt es die Farbe Weiß auf seinen Bauch, der ohnehin nicht sichtbar ist. Im Winter trug es als Hermelin ein schneeweißes Haarkleid mit einer markanten schwarzen Schwanzspitze. Sein kostbarer Pelz schmückte einst Kaiser und Könige.
Zusammen mit den Schneehasen gehören diese Tiere zu den Spezialisten, die sich vom Winter zum Sommer in eine völlig neue Garderobe werfen. Nicht der Kälte oder Wärme wegen, wie es viele Tiere tun, wenn sie zum Winter eine dichte Unterwolle und längere Haare entwickeln – nein, bei diesen drei Arten geht es um die perfekte Tarnung. Und weil das Äußere dieser Allwetter-Spezialisten jeweils zum Untergrund passen muss, ziehen sie sich im Herbst und im Frühling komplett um.
Wie wichtig diese Anpassung ist, zeigt sich dort, wo Fell und Umgebung nicht übereinstimmen. Zu beobachten in Schweden. In einem Experiment, das die Natur durch Zufall geschaffen hat. Dort, auf der Ostseeinsel Lilla Karlsö nördlich von Gotland ist im Winter das Schlaraffenland für die Seeadler des Baltikum. Von weit her kommen sie in der kargen Zeit angeflogen. Denn hier gibt es für hungrige Greife einen wirklich einladenden Schnellimbiss. Auf der Insel leben nämlich Schneehasen. Schneeweiße Schneehasen. Die gibt es zwar auch auf dem Festland in genügender Zahl – doch auf dem Festland liegt so hoch im Norden eine dichte Schneedecke. Und selbst die schärfsten Adleraugen können so ein perfekt getarntes Häschen im Schnee nicht erkennen, wenn es still da liegt. Glück für die Festländer – Pech für die Hasen von Lilla Karlsö. Denn auf ihrer kleinen Insel bleibt wegen des milderen Meeresklimas der Schnee meist nur wenige Stunden oder Tage liegen. So bieten sie auf grünem Gras und brauner Erde einen klaren Kontrast. Für die Adler sind sie gefundenes Fressen, leichte Beute.
Eigentlich passen sie gar nicht auf so eine schneefreie Insel und es gab auch keine Schneehasen dort. Bis zu einigen ungewöhnlich kalten Wintern in den 40er Jahren. Als die Ostsee einfror, wanderten Festlandshasen auf die Insel ein. Sie blieben da und vermehrten sich prächtig. Gab es doch auf dem Eiland weder Fuchs noch Marder, die ihnen gefährlich werden konnten. Lilla Karlsö war für einige Jahre ein wahres Hasenparadies – bis die Adler sie entdeckten. Meister Lampe ist bekanntlich der sprichwörtliche „Hasenfuß“. Immer auf dem Sprung und fluchtbereit. Doch als die ängstlichsten aller Hasen gelten heute die Mümmelmänner von Lilla Karlsö zur Winterszeit. Ständig den Blick in den Himmel gerichtet, wissen sie wohl sehr gut, dass sie auf der grünen Insel völlig falsch gekleidet sind.
Und auch das Schneehuhn weiß gut, ob es zu seiner Umgebung passt oder nicht. Solange die weiße Farbe im Gefieder noch überwiegt, hält es sich vorwiegend auf den letzten Resten von Schnee auf. Wenn ein vorzeitiger Wärmeeinbruch in ihrem Revier sie ganz schutzlos da stehen lässt, wissen sie sich trickreich zu helfen. Forscher haben beobachtet, dass sich weiße Schneehühner in der Übergangszeit helfen, indem sie sich in schlammigen Pfützen baden. Das schmutzige Gefieder tarnt sie so lange, bis alle Federn gewechselt sind und das Schneehuhn sich im Sommerkleid auf den Frühlingsalmen wieder sicher fühlen darf.
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animal.press / Zu 4000 Tierstorys / Schmidts Tierleben / Schmidts Tierleben |
Dok. Autor |
(c) animal-press |
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